Wie innovative Wohn-Projekte auf dem Land Schule machen könnten
MDR AKTUELL / 25. Juli 2025, 18:30 Uhr
von Björn Menzel, Lucas Schwarz und Rebecca Nordin Mencke, MDR AKTUELL
Mit steigenden Mieten und knapper werdendem Wohnraum in den großen Städten wächst bei vielen die Sehnsucht nach Wohnen auf dem Land. Neuen Wohnkonzepten geht es nicht nur um das Häuschen im Grünen. Zwei Projekte in der Altmark in Sachsen-Anhalt schließen Arbeiten und gesellschaftliches Beisammensein mit ein. Für die Finanzierung solcher Konzepte gibt es neue Lösungen.
– Eine Berlinerin hat eine Eigentumswohnung gegen das Dorf Billberge in der Altmark getauscht.
– Genossenschaftliche Finanzierung soll Bewohnerinnen und Bewohnern den Zugang erleichtern.
– Ein ökologisches Modellprojekt will einen ehemaligen Verwaltungssitz des Johanniterordnes in Werben wiederbeleben.
Die Berlinerin Marlene Brühl hat sich ein Dorf gekauft. Nicht, um es zu besitzen, wie sie sagt. Die Geschäftsfrau möchte einen besonderen Ort erschaffen. In fünf Jahren, so stellt sie es sich heute vor, leben hier Familien mit Kindern und ältere Menschen beisammen, teilen sich Räume zum Arbeiten und nutzen in ihrer Freizeit Gemeinschaftsplätze.
Das Dorf heißt Billberge. Es befindet sich in der Altmark im Norden von Sachsen-Anhalt. Direkt an der Elbe mit Badestrand steht ein altes Gutshaus. Wer ein Synonym für das Paradies sucht, könnte hier fündig werden: Rund um den Gutshof sind Stallungen, Wiesen für Pferde und Scheunen. Es gibt ein paar sterile Mietshäuser aus der DDR-Zeit, drei bewohnte Einfamilienhäuser und ganz viel Platz. Die nächste größere Stadt, Stendal, ist nicht weit entfernt.
Ein Dorf für eine Berliner Eigentumswohnung
Marlene Brühl läuft gerade durch ihr Paradies. Allerdings ist dieses etwas – nun ja, leer. Unentdeckt, würden Optimisten sagen. Und optimistisch ist die Geschäftsfrau. Brühl hat Billberge selber bereits vor einigen Jahren entdeckt, als sie eine Bleibe für ihr Pferd suchte, das sich in der Großstadt nicht wohl fühlte. Damals war Billberge noch ein christliches Jugenddorf vom Bildungsträger CJD. Der wollte es komplett verkaufen.

Um Billberge zu entwickeln, hat Geschäftsfrau Marlene Brühl die Genossenschaft vielleben dazu geholt.Bildrechte: MDR/ Björn Menzel
So kam Marlene Brühl ins Spiel. „Wie die Jungfrau zum Kinde“, sagt sie. Sie habe eine Eigentumswohnung in Berlin verkauft und besitzt dafür nun rund 80 Prozent des Dorfes. Den Rest teilen sich drei Familien und ein Reitverein. Aus dem ehemaligen Gut Billberge soll nun ein „Werkdorf an der Elbe“ entstehen – mit dem Namen Gutleben Billberge.
Dafür hat sich Brühl professionelle Hilfe geholt. Sie kooperiert für ihre Vision mit der Genossenschaft vielleben. Der Zusammenschluss von Entwicklern, Architekten und Enthusiasten ist bereits geübt in der Umsetzung von neuen Wohnkonzepten auf dem Land. Aktuell baut die Genossenschaft auf einem alten Industrieareal im brandenburgischen Wiesenburg ein sogenannten KoDorf – also ein Dorf zum Leben und Arbeiten.
Hauptwohnsitz in der Altmark
Ähnliches soll auch in Billberge entstehen. Die Zeichnungen dafür sind bereits fertig. Überall im Dorf stehen Schilder, auf denen sich Interessenten ansehen können, wie es einmal werden soll. Die Pläne sind ehrgeizig. In die bestehenden Gebäude sollen 17 neue und moderne Wohnungen gebaut werden. Zusätzlich sind bis zu 22 komplett neue kleinere und größere Wohnhäuser geplant, die jeweils in Gruppen zu einer Art Hof angeordnet werden.
Außerdem sollen Räume und Hallen für Büroarbeitsplätze und Handwerksbetriebe entstehen. „Wir wollen keine Wochenendsiedlung im Grünen, sondern die Menschen, die hier leben möchten, müssen auch ihren Hauptwohnsitz hierher verlegen“, sagt Stefan Willuda.
Die Menschen, die hier leben möchten, müssen auch ihren Hauptwohnsitz hierher verlegen. Stefan Willuda berät das Projekt in Billberge.
Stefan Willuda berät das Projekt in Billberge

Infoschilder zeigen die Pläne für das Gutleben Billberge.Bildrechte: MDR/ Björn Menzel
Willuda ist vom Team Betahof, welches das Projekt in Billberge ebenfalls berät. Er kümmert sich auch darum, dass Menschen überhaupt auf diese neue Form des Zusammenlebens aufmerksam werden. „Wir haben ein erstes Treffen in Billberge organisiert und laden zu weiteren Infoveranstaltungen ein“, sagt Willuda. Ziel sei es, eine sogenannte Pioniergruppe zusammen zu bekommen. Das seien etwa zehn feste Interessenten. Erst dann könne das Projekt wirklich starten.
Finanzierung über Genossenschaft
Das hat auch etwas mit der besonderen Finanzierungsform des Vorhabens zu tun. Denn anders als beim normalen „Häuschen im Grünen“ erwerben die zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner die Grundstücke und Häuser nicht. „Sie werden mit einer Einmalzahlung Mitglied in unserer Genossenschaft und zahlen dann ein monatliches Nutzungsentgeld“, sagt Willuda. Somit müssten keine sehr hohen Kredite von den Bewohnern aufgenommen werden.
Einen Kredit zum Bauen nimmt die Genossenschaft auf, die auch in Zukunft die Grundstücke von der jetzigen Eigentümerin Marlene Brühl übertragen bekommt. „Der Besitz hier war mir nie wichtig, sondern dass sich etwas entwickelt.“ Sie hofft, dass in den nächsten fünf Jahren ihre Vision wahr wird.
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